Montag, 9. Juni 2014

Liebesbrief | Part III | An mich selbst

بسم الله الرحمن الرحيم



Liebes Ich, Assalaam aleykum wa rahmatullah,

möge der Frieden und die Barmherzigkeit Allahs auf dir sein -
so oft sprach ich diese Worte, doch noch nie waren sie so ernst gemeint
wie heute, denn heut weiß ich, was ich damals nicht wusste,
heut' hab ich hinter mir, wodurch ich damals noch nicht musste
und du hast noch Zeit, den richtigen Weg zu wählen,
also bitte hör zu, ich möcht' dir meine Geschichte erzählen...

Es begann alles an einem ganz normalen Tag,
ein ganz normales Frühstück und ein ganz normaler Start,
ich saß wie immer in der Uni und lernte für die Klausur nächsten Monat,
wie immer beschwerte ich mich über den Stoff, denn es war viel und sehr hart,
wie immer betete ich schnell, eilte zurück und machte weiter, bis ich's nicht mehr aushalten
konnte und wie immer hörte ich deshalb meine Playlist, um ein wenig abzuschalten -
Wie immer verbrachte ich mit meinen Freunden die Pause,
und wie immer ging ich am Abend total erschöpft nach Hause -
Auf dem Weg rief meine Mutter mich mehrmals an und fragte mich sauer
wo ich bliebe und ich antwortete genervt, denn es wurde zu viel auf Dauer
und ich dachte an die Klausur und bekam Panik und wiederholte den Stoff vielmals
vor mich hin und wie immer an der Ampel schaute ich kurz auf die Uhr, doch die Uhrzeit? 
Die erfuhr ich niemals -

Ein panisches Hupen, kreischende Bremsen und ein stechender Schmerz,
verschwommene Umgebung und ein immer leiser schlagendes Herz -
Die Umgebung wurde leiser und ich war ganz benommen,
ich hatte keine Ahnung, nun wurde der Schleier von mir genommen (50:22)
und mein Blick ist heute scharf und es kam der Todesengel, an den ich so lange nicht dachte,
den ich vergaß, als ich schlief, lernte, weinte oder lachte
und nun stand er vor mir und es gab kein zurück,
ich sah mein ganzes Leben vor mir, Stück für Stück
und den Moment, als ich lernte für die Klausur im nächsten Monat,
wie sicher ich war, dass ich sie mitschreiben würde und was ich alles dafür tat,
dabei ist doch der Tod das einzig sichere, woran kein Zweifel besteht,
und doch stand ich früh zum Lernen auf, aber nicht in der Nacht fürs Gebet
und nun sah ich mich selbst, wie ich mich über den Stoff beschwerte und dennoch diszipliniert lernte,
anstatt meinem Herrn einfach für all das zu danken und Ihm von Herzen zu dienen,
indem ich Ihn zum Zentrum meines Lebens mache und für IHN fleißig wäre wie eine Biene -
Ich denk' an all die Facebook-Unterhaltungen, SMS, Whatsapp-Nachrichten und Anrufe,
wie viel Zeit ich an vielen Menschen verlor, anstatt dass ich mal öfter meinen Herrn anrufe?!
Mein Herz weint und schreit und brennt vor Reue beim Anblick meiner selbst,
wie ich mit Eile und Höchstgeschwindigkeit betete, jedes Mal ganz kurz und ganz schnell
und auch immer in allerletzter Sekunde und ohne Konzentration,
könnt' ich doch bloß einmal kurz zurück, sogar in die allerletzte Situation
meines Lebens, wenigstens zurück zum Anruf meiner Mama, die mich ganz besorgt fragte,
um ihr zu sagen, dass ich sie über alles liebe und schätze und all ihre Mühen für mich achte
und dass ich weiß, dass das Paradies unter ihren Füßen liegt,
dass es auf der ganzen Welt keine wichtigere, geliebtere Person für mich gibt
und dass es mir leid tut, mir einfach alles von Herzen leid tut und sie mir bitte verzeihen und mich befreien soll von dieser Bürde -
"Mein Herr! Wenn Du mir nur Aufschub für eine kurze Frist gewähren würdest,
dann würde ich Almosen geben und einer der Rechtschaffenen sein." (63:10)
Ich würde öfter Zuflucht suchen vor der bevor stehenden Pein,
die mich erwartet im Grab und ich würde meine Eltern bedingungslos ehren,
das Schlechte verbieten, das Gute gebieten, mehr um Vergebung bitten, öfter verzeihen und meine Adhkaar vermehren,
Allahs mehr gedenken, die Konsequenz meiner Sünden immer vorher bedenken -
Ich seh mich selbst, wie ich "abschalte" mit Musik in den Ohren,
am liebsten würde ich die Musik abschalten bevor Allah meinen Körper ausschaltet und mir selbst ins Gedächtnis bohren:
"Lass es sein! Schalt sie aus, der kurze Moment ist es nicht wert, Allah hat sie uns doch ganz klar verwehrt!",
und doch tun wir es immer wieder, ohne daran zu denken, dass Allah uns doch immer sieht,
und eines Tages der Todesengel unsere Seele aus unserem Körper zieht -
So viele Sünden habe ich begangen, so viele Gelegenheiten für gute Taten sind vergangen,
so lang erschien mir das Leben, doch wie schnell verging die Zeit,
wie viel habe ich nun davon, frage ich mich, denn nun ist es so weit -
Die Zeit ist um, es gibt kein Zurück, und ich bin allein, allein mit all meinen Taten,
ich wünschte, ich könnte wenigstens einmal noch 'SubhanAllah' sagen -
Ich frage mich, ob ich gut genug zu meinen Nachbarn war, ob mich einer von ihnen wohl vermisst?
Doch die Zeit ist um, "Und nie wird Allah jemandem Aufschub gewähren, wenn seine Frist um ist." (63:11)

Liebes Ich, bitte nimm dich in Acht vor Sheytaan's List,

denke dran, "dass wahrlich das diesseitige Leben nur ein Spiel und ein Zeitvertreib ist" (57:20),
In dem nichts umsonst ist, doch der Tod wird nichts kosten, 
und wahrlich, "Jede Seele wird den Tod kosten" (3:185) -
Fall nicht rein auf die Schönheit dieser Welt und auf ihre Genüsse,
denke an die versprochenen Gärten, mit ihrem ewigen Frieden und den darin fließenden Flüssen -
Lies im Qur'an, auf dass er dein Fürsprecher sein wird und dich fernhält von verbotenen Gelüsten,
Denn Allah schwört "bei den Stationen der Sterne - und wahrlich, das ist ein großer Schwur, wenn ihr es nur wüsstet,
dass dies wahrlich ein edler Qur'an ist" (56:75-77), für den wir dankbar sein müssen -

Eines Tages wird auch dein Leben enden und du wirst antworten müssen für deine Taten,
und lass mich dich nun etwas fragen: Hörst du dich selbst noch atmen?
Also ist es noch nicht zu spät, um Vergebung zu bitten, dich selbst zu retten, dein Leben zu verändern und alles besser zu machen,
damit du -  ان شاء الله (in shaa Allah) - diese Welt ruhigen Herzens verlässt, zwischen all denen die weinen, als einzige/r mit einem Lachen.


Herzlichste Grüße wa salaam aleykum wa rahmatullah,
 

(irgend)eine verstorbene Seele

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